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So werden Geldanlagen in der Schweiz versteuert: Experteninterview mit Aljoscha Moser

So werden Geldanlagen in der Schweiz versteuert: Experteninterview mit Aljoscha Moser

4. März 2025
Finanzen

Aljoscha Moser ist Gründer von Become Wealthy. Er ist Jurist und berät Unternehmen und Privatpersonen zu den Themen Steuern, Recht und Finanzen. Zudem doziert Aljoscha Moser zu Steuern am Institut für Finanzplanung (IfFP) im Lehrgang dipl. Finanzberater IAF.

Herr Moser, wie werden Geldanlagen in der Schweiz versteuert?

Seit Jahren wird der Zugang zu den Anlagemärkten dank innovativer Anbieter wie Alpian immer einfacher. Das Ausfüllen der Steuererklärung empfinden jedoch viele nach wie vor als kompliziert. Die Besteuerung von Geldanlagen erfolgt in der Schweiz im Wesentlichen über die Einkommenssteuer und die Vermögenssteuer. Um die Frage konkret zu beantworten, müssen wir die Besteuerung von Kapitalgewinnen, Vermögenserträgen wie beispielsweise Dividenden sowie die Vermögenssteuer gesondert betrachten.

Sie sagen, dass steuerlich zwischen Kapitalgewinnen und Vermögenserträgen – insbesondere Dividenden – unterschieden werden muss. Wie funktioniert diese Unterscheidung in der Schweiz?

Korrekt. In der Schweiz muss zwischen steuerbaren Vermögenserträgen und steuerfreien privaten Kursgewinnen unterschieden werden. Da Steuern immer auch die Rendite schmälern, ist die Unterscheidung für die Portfolioplanung nicht unwichtig.

Zu den steuerpflichtigen Vermögenserträgen gehören insbesondere Dividenden von Aktien sowie Zinserträge auf Bankkonten oder Obligationen. Vermögenserträge sind gewissermassen die „Früchte“, die Ihre Anlage abwirft.

Kapitalgewinne entstehen hingegen durch den Verkauf von Anlagen. Die Differenz zwischen dem Kauf- und dem Verkaufspreis von Wertpapieren ergibt den Kapitalgewinn.

Unterliegen Kapitalgewinne im Ausland nicht meist einer Kapitalertragssteuer? Was ist in der Schweiz anders?

Das stimmt, viele Staaten kennen eine Kapitalertragssteuer. Die erfreuliche Nachricht ist, dass private Anlegerinnen und Anleger in der Schweiz keine Kapitalgewinnsteuern zahlen müssen. Ein Kapitalgewinn entsteht, wenn Sie ein Wertpapier wie eine Aktie zu einem höheren Preis verkaufen, als Sie ursprünglich dafür bezahlt haben. Konsequenterweise dürfen im Gegenzug Kursverluste aber nicht vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.

Können Sie uns ein Beispiel für einen steuerfreien Kapitalgewinn geben?

Sie haben vor vielen Jahren eine Aktie im Rahmen einer Buy-and-Hold-Strategie für 200 Franken gekauft. Jetzt möchten Sie die Aktie zum erfreulichen Kurs von 500 Franken verkaufen. Wir sprechen also von einem Kursgewinn in Höhe von 300 Franken, was einer Kurssteigerung von 250 Prozent entspricht. Es handelt sich bei diesem Kursgewinn um einen steuerfreien Kapitalgewinn. Mit anderen Worten müssen Sie die 300 Franken nicht als Einkommen versteuern.

Gibt es Ausnahmen oder sind Kapitalgewinne stets steuerfrei?

Ja, es gibt Ausnahmen. Sollten Sie von Ihrer Steuerbehörde als gewerbsmässigen Wertschriftenhändler eingestuft werden, sind die Kapitalgewinne steuerbar. Wichtig ist, dass nicht nur Investmentbanker, sondern auch private Anleger steuerlich als gewerbsmässige Wertschriftenhändler angesehen werden können. Der Begriff der Gewerbsmässigkeit umfasst nicht nur klassische Bereiche wie Aktien und Obligationen, sondern auch Kryptowährungen, Immobilien oder Kunst. Ob Sie als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler eingestuft werden, wird anhand verschiedener Kriterien im Einzelfall beurteilt.

Wenn Sie die folgenden fünf „Safe-Haven“-Kriterien berücksichtigen, können Sie ruhig schlafen und gelten nicht als gewerbsmässiger Händler:

  1. Sie halten Ihre Anlagen mindestens sechs Monate. Day Trading ist folglich problematisch.

  2. Ihr jährliches Transaktionsvolumen sollte nicht das Fünffache Ihres Anfangsbestands überschreiten. Bei einem Portfolio von 50'000 CHF sollte das Transaktionsvolumen aus Kauf und Verkauf also 250'000 CHF nicht übersteigen.

  3. Sie benötigen die Kapitalgewinne nicht zur Finanzierung Ihres Lebensunterhalts. Eine Faustregel besagt, dass die Kapitalgewinne weniger als 50 Prozent Ihres Reineinkommens ausmachen sollten.

  4. Sie investieren nur Ihre eigenen Mittel und nutzen keine Fremdfinanzierung für Ihre Investments.

  5. Derivative Finanzinstrumente wie Optionen werden nur zur Absicherung eingesetzt.

Für den Fall, dass sie nicht alle Safe-Haven-Kriterien erfüllen, kann ich Sie zunächst einmal beruhigen. Es kommt in diesem Fall nämlich nicht einfach zu einer automatischen Besteuerung, sondern es wird dann im Einzelfall geprüft, ob gewerbsmässiger Wertschriftenhandel vorliegt. Die Schweizer Steuerbehörden sind hierbei eher zurückhaltend. Für gewerbsmässige Wertschriftenhändler gibt es immerhin einen steuerlichen Lichtblick: Kursverluste können in Abzug gebracht werden.

Sprechen wir nun über die steuerbaren Vermögenserträge. Wie werden Dividenden & Zinsen in der Schweiz besteuert?

Vermögenserträge – dazu zählen zum Beispiel Zinsen auf Bankkontoguthaben oder eben Dividenden – werden in der Schweiz grundsätzlich als Einkommen besteuert. Zudem ist an die Verrechnungssteuer zu denken.

Was hat es mit der Verrechnungsteuer auf sich?

In der Schweiz wird auf Dividenden eine Verrechnungssteuer von 35 Prozent erhoben. Diese Steuer dient als Sicherungssteuer, um sicherzustellen, dass Sie Ihre Vermögenswerte, wie Aktien, Obligationen oder Bankkontoguthaben, in Ihrer Steuererklärung korrekt angeben. Das bedeutet, dass Ihnen zunächst nur 65 Prozent des Ertrags ausbezahlt werden, während die restlichen 35 Prozent direkt an die Steuerverwaltung abgeführt werden. Sobald Sie Ihre Vermögenswerte ordnungsgemäss in der Steuererklärung deklariert haben, können Sie die einbehaltene Verrechnungssteuer von 35 Prozent zurückfordern.

Für Zinserträge von Bankkonten wird die Verrechnungssteuer übrigens erst ab einem Zinsertrag von 200 Franken erhoben, da sich der administrative Aufwand darunter schlicht und einfach nicht lohnt.

Gibt es auch steuerfreie Dividenden?

Ja, gibt es. Normalerweise werden Dividenden aus dem Gewinn eines Unternehmens finanziert, dann unterliegen die Dividenden der Einkommenssteuer. Unternehmen können die Dividenden jedoch auch aus den Kapitaleinlagereserven – sogenannte KER – auszahlen. In diesem Fall ist der aus den Kapitaleinlagereserven ausgeschüttete Anteil der Dividende einkommenssteuerfrei, wobei maximal 50% der Gesamtdividende steuerfrei sein dürfen.

Herr Moser, welche Auswirkungen haben die verschiedenen Besteuerungsformen auf die Nettorendite von Kapitalanlagen?

Wir haben gesehen, dass Kapitalgewinne in der Regel steuerfrei sind, während Erträge wie Dividenden der Einkommensteuer unterliegen. Steuern schmälern Ihre Nettorendite und sollten deshalb auch bei der Portfolioplanung beachtet werden.

Angenommen, Sie erzielen einen Dividendenertrag von 4% und Ihr Grenzsteuersatz beträgt 35%. In diesem Fall bleibt Ihnen ein Nettoertrag von 2.6%. Kapitalgewinne sind hingegen steuerfrei. Wenn Sie also vorwiegend auf Dividendenaktien setzen, haben Sie gegenüber Wachstumsaktien einen steuerlichen Nachteil. Diese Minderrendite von 1.4% aufgrund der bezahlten Einkommensteuer macht über die Zeit aufgrund des sogenannten Zinseszinseffekts einen grossen Unterschied. Zur Veranschaulichung können Sie den Effekt mit einem Zinseszinsrechner simulieren.

Wie verhält es sich mit ausländischen Dividenden?

Dieses Thema ist im Einzelnen sehr kompliziert. Geschätzt verschenken Schweizer Anlegerinnen und Anleger jährlich über 14 Milliarden Franken, weil sie die Steuern nicht zurückholen, die auf Dividenden ausländischer Aktien abgezogen werden.

Im Wesentlichen unterliegen ausländische Dividenden meist einer Quellensteuer, die der Schweizer Verrechnungssteuer ähnelt. Wenn Sie beispielsweise US- oder Deutsche Dividendenaktien halten, zahlt Ihre Bank Ihnen nur einen Teil der Dividende aus, während der andere Teil – oft etwa 30 Prozent – an die ausländische Steuerbehörde geht. Da eine doppelte Besteuerung vermieden werden soll, hat die Schweiz mit vielen Ländern sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen – kurz DBA – abgeschlossen. Diese DBA ermöglichen es Ihnen, einen Teil der im Ausland gezahlten Steuern – regelmässig 15% – zurückzufordern. Dieser Prozess ist jedoch mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden und lohnt sich für nicht professionelle Anleger kaum. Die restlichen 15% können in der Schweiz angerechnet werden.

Sprechen wir nun noch über die Vermögenssteuer. Was ist hier zu beachten?

Die Schweiz sieht als eines von wenigen Ländern eine Vermögenssteuer für Privatpersonen vor. Die Vermögenssteuer wird im Gegensatz zur Einkommensteuer nur von den Kantonen und Gemeinden erhoben, nicht jedoch vom Bund. Zum Vermögen zählen unter anderem Bargeld, Edelmetalle, Immobilien, Aktien oder Kryptowährungen. Das Vermögen wird in der Regel zum Verkehrswert bewertet, also dem Wert, der bei einem Verkauf auf dem Markt erzielt werden könnte. Bei börsengehandelten Werten wie Aktien ist die Bewertung einfach. Bei Bildern, Schmuck oder anderen Kunstgegenständen muss der Verkehrswert mittels Gutachten, Versicherungswerten und dergleichen geschätzt werden.

Haben Sie abschliessend noch Tipps zum Ausfüllen der Steuererklärung?

Selbstverständlich. Zunächst hört sich vieles komplizierter an, als es in der Praxis ist. Moderne Steuerprogramme machen die richtige Deklaration heute viel einfacher.

Zur korrekten Erfassung der Wertschriften in der Steuererklärung wird auf den 31.12. abgestellt. Einige Depotanbieter nehmen Ihnen die ganze Arbeit ab und stellen Ihnen einen elektronischen Steuerauszug zur Verfügung. Diesen können Sie direkt in die Steuersoftware hochladen, wodurch alle Werte automatisch erfasst werden. Ansonsten können Sie Ihre Aktien mit der Valoren- oder ISIN-Nummer erfassen. Viele Aktien werden von der Steuersoftware automatisch erkannt und hinzugefügt. Falls ein Fonds oder eine Aktie nicht automatisch hinzugefügt werden kann, finden Sie die Werte womöglich in der Kursliste der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Falls Sie auch dort nicht fündig werden, können Sie die Bewertung der Bank per 31.12. übernehmen oder ohne Wertangabe erfassen, womit die Wertbestimmung der Steuerbehörde überlassen bleibt. Auch eine unter dem Jahr mit Gewinn verkaufte Aktie muss korrekt deklariert werden. Hierzu müssen Sie die Kauf- und Verkaufsdaten eintragen. Der Gewinn ist jedoch, wie gezeigt, steuerfrei. Denken Sie daran, alle Erträge aus Aktien, anderen Wertschriften oder Bankkonten zu erfassen. Auch Erträge aus vor dem 31.12. verkauften Aktien müssen deklariert werden. Durch die korrekte Deklaration wird die Verrechnungssteuer von 35% zurückerstattet.

Möchten Sie das Wichtigste nochmals in einem Satz zusammenfassen.

Gerne. Auf realisierte Kursgewinne – also Kapitalgewinne – fallen grundsätzlich keine Einkommenssteuern an. Auf Dividenden und andere Vermögenserträge zahlen Sie hingegen Einkommensteuern. Zusätzlich wird Vermögen – und damit auch Aktien und andere Wertanlagen – in der Schweiz besteuert. Für die Bewertung wir auf den 31.12 abgestellt. Die Schweizer Verrechnungssteuer auf Dividenden können Sie nach der korrekten Deklaration zurückfordern.

Vielen Dank, Herr Moser, für diese ausführlichen und hilfreichen Informationen.

Vielen Dank für die Einladung, es war mir ein Vergnügen.

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