Spätestens seit dem spektakulären GameStop-Hype 2021 ist der Begriff «Short Squeeze» in aller Munde. Auch in der Schweiz haben viele Menschen fasziniert verfolgt, wie Privatanlegerinnen und Privatanleger grosse Hedgefonds überraschend in Bedrängnis brachten. Doch was steckt hinter diesem Phänomen, und warum gleicht es oft mehr einem Glücksspiel als solidem Investieren?
In diesem Artikel erfahren Sie verständlich und fundiert, wie ein Short Squeeze funktioniert, lernen berühmte Beispiele wie GameStop und Volkswagen kennen und erhalten Tipps, wie Sie Risiken richtig einschätzen und minimieren können.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist ein Short Squeeze?
- Berühmte Short Squeezes: Fallstudien GameStop und Volkswagen
- 1. Der GameStop-Short-Squeeze
- 2. Der Volkswagen-Short-Squeeze
- Wie erkennen Sie einen Short Squeeze? – Indikatoren und Warnzeichen
- Strategien zur Risikominimierung bei Short Squeezes: Worauf sollten Anlegerinnen und Anleger achten?
- Fazit: Short Squeezes sind mit Vorsicht zu geniessen
Was ist ein Short Squeeze?
Um einen Short Squeeze zu verstehen, müssen Sie zunächst wissen, was Short Selling (Leerverkauf) bedeutet. Dabei verkaufen Anlegerinnen und Anleger Aktien, die sie sich ausgeliehen haben, in der Erwartung sinkender Kurse. Fällt der Kurs, wie erhofft, kaufen sie die Aktien später günstiger zurück und geben sie dem Verleiher zurück – die Differenz streichen sie als Gewinn ein. Steigt der Kurs jedoch entgegen den Erwartungen, erleiden die Short-Sellerinnen und Short-Seller Verluste, da sie die Aktien zu einem höheren Preis zurückkaufen müssen.
Ein Short Squeeze entsteht, wenn plötzlich das Gegenteil des Erwarteten eintritt: Der Aktienkurs steigt markant an, anstatt zu fallen. Die Short-Sellerinnen und Short-Seller geraten unter Zugzwang, ihre Positionen rasch zu schliessen, um die Verluste einzudämmen. Dadurch kurbeln sie selbst die Nachfrage nach der Aktie an, was den Kurs noch weiter in die Höhe treibt – eine Kettenreaktion kommt in Gang. Immer mehr Leerverkäuferinnen und Leerverkäufer werden aus ihrer Position «herausgequetscht» (engl. to squeeze), da der Druck wächst, die Verluste zu begrenzen. Diese Dynamik kann zu einem regelrechten Kursfeuerwerk führen. Kurz gesagt: Ein Short Squeeze ist ein rasanter Kursanstieg, der entsteht, wenn zahlreiche Short-Sellerinnen und Short-Seller gleichzeitig die Flucht ergreifen und zum Rückkauf gezwungen sind.
Stellen Sie sich als Vergleich eine Sportwette vor: Zahlreiche Wettende setzen auf die Niederlage eines Teams. Überraschend beginnt dieses jedoch, das Spiel zu dominieren. In der Folge versuchen alle Wettenden hektisch, ihre Einsätze zurückzuziehen, was die Quoten weiter nach oben schnellen lässt. Ähnlich entfaltet sich ein Short Squeeze an der Börse als Aufwärtsspirale, die den Aktienkurs immer höher treibt.
Übrigens: In der Schweiz sind Leerverkäufe grundsätzlich erlaubt, solange sie gedeckt sind. «Naked Shorts» – also der Verkauf von Aktien, ohne diese vorher ausgeliehen zu haben – sind hingegen verboten. Leerverkäuferinnen und Leerverkäufer müssen nachweisen können, dass sie über die verkauften Aktien verfügen oder diese zumindest ausgeliehen haben.
Berühmte Short Squeezes: Fallstudien GameStop und Volkswagen
Historisch gesehen hat es immer wieder Short Squeezes gegeben, aber zwei Fälle stechen heraus und sind für Anlegerinnen und Anleger lehrreich:
1. Der GameStop-Short-Squeeze
Der GameStop-Short-Squeeze Anfang 2021 ging als David-gegen-Goliath-Geschichte um die Welt. Bei der US-Videospielkette GameStop hatten Hedgefonds gewettet, dass der Aktienkurs weiter fallen würde – über 100% der frei handelbaren Aktien waren leerverkauft. Gleichzeitig formierte sich in einem Online-Forum (Reddit) eine Gruppe privater Anlegerinnen und Anleger, die das Gegenteil erreichen wollten. Durch koordinierte Käufe trieben sie den Kurs innerhalb weniger Wochen um ein Vielfaches in die Höhe. Der Plan ging auf: Am 27. Januar 2021 schoss der GameStop-Kurs zeitweise auf 347,51 US-Dollar hoch – ein Anstieg um rund das 30-fache gegenüber dem Monatsanfang. Die Hedgefonds, allen voran Melvin Capital, erlitten massive Verluste in Milliardenhöhe und mussten ihre Short-Positionen mit grossen Verlusten decken.
Allerdings zeigte sich kurz darauf die Kehrseite dieses Short-Squeeze-Effekts: Nachdem die meisten Leerverkäuferinnen und Leerverkäufer «ausgequetscht» waren, fiel der Aktienkurs schnell wieder. Bereits eine Woche nach dem Höchststand notierte GameStop nur noch bei etwa 53 US-Dollar. Viele Späteinsteigerinnen und Späteinsteiger, die vom Hype angelockt wurden, blieben auf beträchtlichen Verlusten sitzen. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie rasant ein Short Squeeze entstehen kann und wie schnell der Börsenspuk auch wieder vorbei sein kann.
2. Der Volkswagen-Short-Squeeze
Ein weiterer legendärer Short Squeeze ereignete sich im Oktober 2008 in Deutschland. Zahlreiche Hedgefonds hatten gegen die Aktie von Volkswagen (VW) gewettet, da sie annahmen, der Autobauer würde in der Finanzkrise schwere Zeiten erleben. Etwa 12,5% aller VW-Aktien waren leerverkauft – eine enorme Short-Position. Zeitgleich stockte jedoch Porsche, ein Konkurrent und Anteilseigner, seine Beteiligung an VW über Optionen unbemerkt auf rund 74% der Aktien auf. Als diese Nachricht publik wurde, gerieten die Leerverkäuferinnen und Leerverkäufer in Panik: Es standen kaum noch frei handelbare Aktien für den Rückkauf zur Verfügung. In nur fünf Handelstagen schoss der VW-Aktienkurs auf nahezu 1000 EUR hoch – rund das Fünffache des vorherigen Werts. Kurzzeitig war Volkswagen damit das wertvollste Unternehmen der Welt.
Der Volkswagen-Fall zeigt, wie unerwartete Marktentwicklungen (in diesem Fall Porsches Übernahmepläne) Leerverkäuferinnen und Leerverkäufer in die Enge treiben können. Wenn Sie zu spät aussteigen, zahlen Sie den Preis: Nachdem die meisten Short-Sellerinnen und Short-Seller kapituliert hatten, normalisierte sich der VW-Kurs relativ rasch wieder. Doch die Episode ging als Warnung in die Börsengeschichte ein und bescherte einigen Hedgefonds milliardenschwere Verluste, während Porsche am Ende profitierte.
Wie erkennen Sie einen Short Squeeze? – Indikatoren und Warnzeichen
Ein Short Squeeze trifft den Markt häufig überraschend. Dennoch gibt es einige deutliche Warnsignale, auf die Sie als Anlegerin oder Anleger achten können. Keiner dieser Indikatoren garantiert einen Short Squeeze. Aber treten mehrere dieser Faktoren gleichzeitig auf, steigt das Risiko deutlich. Sie sollten dann besonders vorsichtig sein und bedenken, dass solche Situationen sehr spekulativ und riskant sind.
Hohe Short-Quote: Wenn sehr viele Anlegerinnen und Anleger auf fallende Kurse wetten («short» gehen), steigt das Risiko eines Short Squeezes deutlich an. Eine Short-Quote über 10 bis 20% der frei handelbaren Aktien gilt bereits als Alarmsignal. Diese Information können Sie bei spezialisierten Finanzdienstleistern oder auf Börsenportalen einsehen.
Days to Cover («Tage bis zur Eindeckung»): Diese Kennzahl zeigt, wie viele Tage Leerverkäuferinnen und Leerverkäufer durchschnittlich benötigen würden, um ihre Aktien zurückzukaufen. Ein hoher Wert bedeutet, dass es im Notfall schwierig wird, schnell genug Aktien zu finden – das erhöht das Squeeze-Risiko deutlich.
Kleine Unternehmen mit wenig Handelsvolumen (niedrige Liquidität): Bei Aktien kleinerer Unternehmen reichen oft wenige Käufe aus, um den Kurs stark steigen zu lassen, besonders wenn viele Aktien bereits von Grossinvestorinnen und Grossinvestoren gehalten werden. Solche Titel sind anfälliger für Short Squeezes.
Plötzliche Kursbewegungen und technisches Signal: Wenn der Kurs einer stark leerverkauften Aktie plötzlich zu steigen beginnt oder sich in einem überverkauften Bereich befindet (z. B. ein RSI-Wert (Relative Strength Index) unter 30), könnte dies auf einen möglichen Short Squeeze hindeuten.
Positive Nachrichten oder Social-Media-Hype: Unerwartet gute Neuigkeiten oder steigende Aufmerksamkeit in sozialen Medien (wie beim GameStop-Fall auf Reddit) können schnell viele Käuferinnen anlocken und Leerverkäufer unter Druck setzen, ihre Positionen aufzugeben.
Strategien zur Risikominimierung bei Short Squeezes: Worauf sollten Anlegerinnen und Anleger achten?
Angesichts der genannten Risiken stellt sich die Frage, was Sie als Anlegerin oder Anleger machen können um das Risiko zu minimieren. Hier einige Strategien und Tipps:
Klare Anlagestrategie und Diversifikation: Lassen Sie sich nicht von Hypes von Ihrer langfristigen Strategie abbringen. Bauen Sie Ihr Portfolio breit gestreut auf. Eine solide Diversifikation über verschiedene Anlagen (ein Mix aus Aktien, ETFs und alternativen Anlagen) reduziert das Klumpenrisiko. Setzen Sie vor allem auf Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten und betrachten Sie kurzfristige Trends mit gesunder Skepsis.
Vorsicht bei Hype-Aktien und Meme-Stocks: Überlegen Sie es sich zweimal, bevor Sie auf einen fahrenden Zug aufspringen. Wenn eine Aktie nur aufgrund eines Reddit-Trends oder TikTok-Hypes steigt, sollten alle Alarmglocken läuten. Fragen Sie sich: Beruht der Anstieg auf Unternehmensdaten oder nur auf Spekulation? Im zweiten Fall bewegen Sie sich auf dünnem Eis.
Informationsbeschaffung und Monitoring: Halten Sie sich informiert über Short-Interest-Daten und Marktnachrichten. Viele Finanzportale veröffentlichen die aktuellen Short-Quoten von Aktien. Wenn Sie sehen, dass eine von Ihnen gehaltene Aktie extrem hohe Short-Positionen aufweist, seien Sie auf erhöhte Volatilität gefasst. Beobachten Sie auch die Kommunikation von Unternehmen: Ankündigungen von Übernahmen, Aktienrückkäufen oder neuen Grossinvestorinnen und Grossinvestoren können Leerverkäuferinnen und Leerverkäufern den Boden unter den Füssen wegziehen. Ein aufmerksames Monitoring Ihres Wertschriftendepots und der darin enthaltenen Titel hilft, rechtzeitig auf ungewöhnliche Kursbewegungen zu reagieren.
Professionelle Beratung in Anspruch nehmen: Wenn Ihnen das alles zu komplex oder riskant erscheint, stehen Ihnen Finanzexpertinnen und -experten zur Seite. Gerade in turbulenten Börsenphasen oder bei verlockenden «Hot Stocks» kann ein neutraler Blick helfen. Eine erfahrene Finanzberaterin oder ein erfahrener Finanzberater kann einschätzen, ob eine Situation fundamental gerechtfertigt ist oder ob Sie gerade Gefahr laufen, einer Marktübertreibung zu erliegen. Zögern Sie nicht, professionelle Beratung zu suchen, bevor Sie grosse Summen investieren oder riskante Positionen eingehen. Die unabhängige Sicht eines Profis kann vor kostspieligen Fehlern bewahren.
Fazit: Short Squeezes sind mit Vorsicht zu geniessen
Short Squeezes sind spektakuläre, aber höchst riskante Ereignisse an der Börse. Für Sie als Anlegerin oder Anleger in der Schweiz sind sie eine wichtige Erinnerung daran, dass Börsenkurse nicht nur von fundamentalen Fakten, sondern auch von Marktpsychologie getrieben werden können.
Für die meisten Privatanlegerinnen und Privatanleger gilt: Bewahren Sie einen kühlen Kopf. Lassen Sie sich nicht von schnellen Gewinnen blenden, sondern bauen Sie Ihr Vermögen lieber mit durchdachten, breit diversifizierten Anlagen auf.
Zum Schluss unsere Einladung an Sie: Wenn Sie unsicher sind, wie Sie in solch turbulenten Zeiten investieren sollen, oder wenn Sie allgemeine Fragen zu Ihrer Anlagestrategie haben, steht Ihnen unser Beratungsteam gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Gespräch – gemeinsam entwickeln wir eine Anlagestrategie, die zu Ihren Bedürfnissen passt und mit der Sie auch in stürmischen Börsenphasen ruhig schlafen können.